"Redet doch mal darüber!" diese Formel klingt fast lächerlich, wenn zwei Menschen in einen ernsthaften Konflikt verstrickt sind. Einen Dialog zu führen meint jedoch mehr als entspannte Plauderei. Es ist ein gemeinsamer Veränderungsprozess durch Worte.
Ein Dialog erfordert Geduld und Mut und die Bereitschaft,
sich selbst zu betrachten. Oft jedoch haben die am Konflikt
beteiligten Personen eine so starke Ablehnung gegeneinander
entwickelt, dass sie nicht einmal bereit sind, sich
im selben Zimmer zu begegnen. Dann braucht es einen
Vermittler - einen Mediator. Mediatoren bieten heute
professionell ihre Hilfe an, zum Beispiel bei Firmenstreitigkeiten
oder Ehescheidungen.
Dialoge
können Konflikte lösen
Wie bei einem Eisberg ist
nur ein kleiner Teil eines Konfliktes sichtbar. Die
Emotionen, der Streit über den aktuellen Anlass, die
offensichtliche Gegensätze werden deutlich. Unter der
Oberfläche liegen die eigentlichen Ursachen: die Wünsche
und Ängste der beteiligten Menschen, ihre Hoffnungen
und Träume, aber auch Enttäuschungen, Verletzungen,
Erfahrungen und Vorurteile.
Oft ist den Streitenden selbst ihre grundlegende Motivation gar nicht bewusst. Oder sie wissen gar nicht, was ihr Gegenüber sich wirklich wünscht. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Worten kann die Beteiligten langsam in diese Bereiche führen und wie eine Hebamme das Verborgene hervorholen - wenn auch manchmal unter Schmerzen. Ein mutiger und ausdauernder Dialog kann sogar die gemeinsamen Wurzeln der Menschlichkeit zu Tage fördern. Konflikte nähren sich aus dem Gefühl der Trennung und der auswegslosen Gegensätzlichkeit. Wieder entdeckte Gemeinsamkeiten lösen sie auf.
Die
Hindernisse der Sprache
Wenn die Menschen sich zum
Gespräch zusammengefunden haben, müssen sie ein weiteres
Hindernis überwinden: die Tücken der Sprache, die Stolpersteine
der menschlichen Kommunikation. Der Kommunikationsforscher
Paul Watzlawick untersuchte die Vielschichtigkeit der
sprachlichen Mitteilungen. Vereinfacht gesagt, unterscheidet
er zwischen der Sachseite und der Beziehungsseite einer
Nachricht. Wenn wir also jemandem etwas mitteilen, ist
dies nicht nur eine inhaltliche Information (Sachseite).
Gleichzeitig drücken wir auch aus, wie wir zu dieser
Person stehen (Beziehungsseite). Wir zeigen dies in
der Haltung, den Gesten und dem Klang unserer Stimme.
Kleinkinder oder Tiere reagieren sehr deutlich auf diesen
Teil der Botschaft.
Wir können davon ausgehen, dass unsere verborgenen Absichten immer einen Weg finden, sich in unserer Kommunikation mitzuteilen. Und ebenso sicher kann der Empfänger diese Botschaft wahrnehmen. Deshalb können Menschen sich auch trotz aller Sprachbarrieren verstehen - wenn sie sich verstehen wollen.
Der
innere Dialog oder die Mauer im eigenen Herzen
Zum "Inneren Dialog"
fordert der Friedensforscher Johan Geltung auf und schlägt
die Einrichtung von Räumen der Stille für die Selbstbetrachtung
in wichtigen politischen Gebäuden vor. "Die Fähigkeit,
das Negative in sich selbst wahrzunehmen, ist Voraussetzung
für die Wahrnehmung des Positiven bei anderen"
schreibt der Philosoph Daisaku Ikeda. Die Bereitschaft
zur Selbstreflektion ist für beide die Voraussetzung
zur Konfliktlösung. Zu schnell glaubt man sich selbst
auf der Seite des Guten und der Wahrheit, ohne zu merken,
dass das eigenen Verhalten längst respektlos geworden
ist und den eigenen Maßstäben gar nicht mehr entspricht.
Auch eine große Gefahr ist die Entstehung von Vorurteilen im menschlichen Denken. Die einmal gemachte Erfahrung wird auf alle weiteren übertragen. Beißt mich ein Dackel, sind alle Dackel aggressiv. Die Erfahrung rutscht ins Unterbewusste und Dackel sind mir von nun an unsympathisch. Konfliktlösung erfordert daher eine große Aufmerksamkeit sich selbst und der Einmaligkeit der Situation gegenüber.
Zuhören
wie Momo
"Sie konnte so zuhören,
dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz
genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder
dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh
wurden.". So beschreibt der Kinderbuchautor Michael
Ende die erstaunliche Fähigkeit der kleinen Momo.
Gutes Zuhören ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist der erste Schritt für einen konstruktiven Dialog. Durch das aufmerksame Zuhören lernt man seinen Gegenüber kennen und erweist ihm Respekt. Und man kommt den eigenen Vorurteilen und Missverständnissen auf die Schliche. Der griechische Philosoph Zeno sagte: "Zwei Ohren auf eine Zunge, deshalb höre zweimal so viel, wie du sprichst."
Nach einiger Zeit in einem Zimmer voller Orchideen duften die Kleider der Menschen wie die schöne Blume. Deshalb bittet man in asiatischen Ländern die Besucher in diese Zimmer. Es ist ein Symbol für die Bedeutung der Atmosphäre. Auch für einen gelungen Dialog ist die sorgfältige Vorbereitung und die Wahl des richtigen Ortes nicht zu unterschätzen. Wenn Menschen sich wohlfühlen und Schokolade und Kekse knabbern, ist eine Annäherung einfacher. Bei der Afghanistan-Konferenz im Petersburger Schloss im Dezember 2002 wurden aus diesem Grund aus Rücksicht auf die islamischen Teilnehmer alle alkoholischen Getränke aus der Bar entfernt.
Die
Eisbrecher
Manchmal ist ein Konflikt
hoffnungslos verfahren. Bei jeder Begegnung schlagen
die Emotionen hohe Wellen, jede Kleinigkeit löst einen
Streit aus. Die gegenseitigen Verletzungen sind so tief,
dass beide Parteien völlig verhärtet sind. Eine mutige
und entschlossene Person kann dennoch versuchen, das
Eis zu brechen. Ein solcher Vermittler sollte in der
Lage sein, beide Seiten des Konfliktes nachzuvollziehen
und neutral zu bleiben. Beide Parteien müssen ihm vertrauen
können. Meist spricht der Vermittler zunächst mit jeder
Seite allein. So kann ein Gespräch zunächst über diese
dritte Person laufen, bis der Streit so weit entschärft
ist, dass mit der gemeinsamen Suche nach einer Lösung
begonnen werden kann. Dabei wird insbesondere darauf
bedacht, dass keine Seite bevorteilt wird.